Die gezielte archaeologische Untersuchung am Turm, im Chor und der Seitenkapelle sowie im Friedhofsareal berichtigte die bisherige Gesamtdeutung. Schon zwischen der Mitte des 11. Jhs. und der Mitte des 12. Jhs. bestand ein erster Friedhof, die Georgskirche war daher tatsaechlich Urpfarre. Damit kann von archaeologischer Seite — und nur von ihr aus — die Luecke innerhalb der Urkunden zwischen der Mitte des 11. Jhs. und der Mitte des 13. Jhs. geschlossen werden. Dieser erste Friedhof von Stillfried ist nicht nur der aelteste bisher im Neusiedelland nachweisbare, sondern auch die archaeologische Bestaetigung fuer die Hypothese der zentraloertlichen Stellung von Stillfried, da Siedlung, Burg und Kirche gerade im Hochmittelalter eine untrennbare Einheit bilden. Schon dieses Ergebnis rechtfertigt die archaeol.-kunsthistorischen Untersuchungen im Rahmen des interdisziplinaeren Forderungsprojektes, die weit ueber eine bloße Erfassung der Bau- und Kunstgeschichte eines Einzelobjektes hinausgehen.
Das Tiefgeschoß des Turmes war Teil einer eintuermigen romanischen W-Anlage, die bis ins 13. Jh. bestand und als Karner diente. Ein Karner im Tiefgeschoß eines romanischen Turmes ist in oesterreich ein Sonderfall. Siboto war nicht der Erbauer der romanischen Kirche, sondern der Stifter einer Michaelskapelle ueber dem Karner bzw. im Turm des 13./14. Jhs. Die heutige Sakristei war urspruenglich eine zweijochige Herrschaftskapelle mit Grablege.
Die Fragestellung Kirche - Burg - Herrschaftskapelle ist angesichts der zweijochigen S-Kapelle in Stillfried neu zu ueberdenken, da der Herrschaftssitz am Hausberg von Stillfried nur im 13. Jh. bestand, die Kapelle aber erst um 1400 errichtet wurde. Somit taucht die Frage auf, wo der Inhaber der Herrschaftskapelle, die auch als Grablege diente, nach Aufgabe des Hausbergs seinen Sitz hatte. |